Den Heiligen Geist in Jerusalem erwarten
Am Tag, an dem der Herr zu seinem Vater zurückkehrte, hat er seinen Jüngern geboten, in Jerusalem zu bleiben und dort den Heiligen Geist zu erwarten. Sie sollten darauf warten, vom Heiligen Geist erfüllt zu werden, der sie für ihren Dienst als Zeugen des Himmelreichs ausrüsten würde. Und das tun sie dann, wahrscheinlich im Haus, wo sie schon Ostern mit Jesus gefeiert hatten (Apg 1.14).
In gegenseitigem Einvernehmen treffen sie sich da oft zum Gebet mit einigen Frauen, worunter Maria, Jesu Mutter und Jesu Brüder. Vielleicht sind sie an diesem Tag 120, wie es manchmal berichtet wird.
Sie kennen aber keinen Termin und so sind schon 10 Tage in dieser Erwartung vergangen.
Apostelgeschichte 2. 1-13
2 Plötzlich gab es ein mächtiges Rauschen, wie wenn ein Sturm vom Himmel herabweht. Das Rauschen erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren.3 Dann sahen sie etwas wie Feuer, das sich zerteilte, und auf jeden ließ sich eine Flammenzunge nieder. 4 Alle wurden vom Geist Gottes erfüllt2 und begannen in anderen Sprachen3 zu reden, jeder und jede, wie es ihnen der Geist Gottes eingab.5 Nun lebten in Jerusalem fromme Juden4 aus aller Welt, die sich hier niedergelassen hatten. 6 Als sie das mächtige Rauschen hörten, strömten sie alle zusammen. Sie waren ganz verwirrt, denn jeder hörte die Versammelten, die Apostel und die anderen, in seiner eigenen Sprache reden.7 Außer sich vor Staunen riefen sie: »Die Leute, die da reden, sind doch alle aus Galiläa! 8 Wie kommt es, dass jeder von uns sie in seiner Muttersprache reden hört?9 Wir kommen aus Persien, Medien und Elam, aus Mesopotamien, aus Judäa und Kappadozien, aus Pontus und aus der Provinz Asien,10 aus Phrygien und Pamphylien, aus Ägypten, aus der Gegend von Zyrene in Libyen und sogar aus Rom. 11 Wir sind geborene Juden und Fremde, die sich der jüdischen Gemeinde angeschlossen haben,5 Insel- und Wüstenbewohner.6 Und wir alle hören sie in unserer eigenen Sprache die großen Taten Gottes verkünden!«
Was da geschieht ?
Pfingsten ist eins der drei wichtigsten Feste, die die Juden alljährlich aus allen Himmelsrichtungen nach Jerusalem versammeln. Es findet am Ende der Gerstenernte statt. Oft wird aber vergessen, dass, der Überlieferung zufolge, auch fünfzig Tage nach Ostern (Pessach) Mose das Gesetz auf dem Sinai empfing.
Eines Tages hatte Mose einen merkwürdigen Wunsch ausgedrückt : Numeri 11.26-29
26 Zwei Männer, die ebenfalls auf der Liste der siebzig standen, Eldad und Medad, waren nicht zum Heiligen Zelt gegangen, sondern im Lager geblieben. Aber auch über sie kam der Geist Gottes und sie wurden von ekstatischer Begeisterung ergriffen.
Diesen Wunsch begrüßt Gott und er macht daraus eine prophetische Voraussage :
Joel 3. 1-5.
1 Weiter sagt der Herr: »Es kommt die Zeit, da werde ich meinen Geist ausgießen über alle Menschen.1 Eure Männer und Frauen werden dann zu Propheten; Alte und Junge haben Träume und Visionen.2 Sogar über die Knechte und Mägde werde ich zu jener Zeit meinen Geist ausgießen.3-4 Dann ist der große und schreckliche Tag nahe, an dem ich Gericht halte. Am Himmel und auf der Erde werden seine Vorzeichen zu sehen sein: Menschen liegen erschlagen in ihrem Blut, Flammen und Rauchwolken steigen auf; die Sonne verfinstert sich und der Mond wird blutrot.
In seiner meisterhaften Anrede (17-21) greift Petrus diese Verheißung auf und erklärt der Menge der zum Fest versammelten Juden, daß sie eben heute Zeugen ihrer Verwirklichung sind.
Wir müssen sofort unterstreichen, daß, was da vorgeht, nicht einfach eine subjektive Begebenheit ist, die schwer festzustellen und zu erklären wäre. Alles ist offensichtlich und verläuft unter den Augen einer riesigen Menge Leute. Gott ist am Wirken und was da geschieht sehen und hören alle diese vielen Leute.
Ein mächtiges Rauschen ertönt vom Himmel herab, von Gott her, es erfüllt das ganze Haus und braust weit darüber hinaus. Etwas wie Feuerzungen setzt sich auf den Kopf jeder gegenwärtigen Person, d.h. der Jünger, der Nichtjünger und auch der Frauen (Joel spricht von den Frauen und Mägden).
Noch eindrucksvoller ist was dann geschieht : da sind diese Galiläer, die für ihre Unwissenheit berühmt sind, sowie für ihre komische Art, ihre aramäische Muttersprache auszusprechen, diese Galiläer fangen an, in allen Sprachen der damals bekannten Welt zu sprechen. Kein Stammeln, keine ununterbrochene, bedeutungslose Widerhohlung der zwei selben Silben (wie ich es als « Zungenrede » gehört habe). Nein, sie verkündigen die großen Taten Gottes, die wunderbaren Werke, die Gott ausgeführt hat (11)!
Inzwischen sind sie wohl hinaus auf die Straße gegangen und so hört sie die Menge sprechen und muß staunend feststellen, daß sie sie in allen jeweiligen Muttersprachen versteht. Es handelt sich nicht um eine nüchterne, geordnete Predigt, aber so zahlreich sie auch sein mögen, jeder der Gläubigen wurde vom Heiligen Geist ergriffen. Er vergisst alles andere und rühmt und lobt Gott recht laut, er preist Gottes Größe, seine Heiligkeit, seine Liebe, seine Gnade, die er in seinem Leben erfahren hat, was er mit ihm erlebt haben. Jeder auf seine Art, auf seiner Ebene ist Zeuge des lebendigen Gottes, der seinen Geschöpfen seine Gnade schenkt.
Da stellen sich die Leute natürlich Fragen :
Was soll da bedeuten ? (v. 12)?
Einige Festellungen und Kommentare
Babels Umkehrung
In vereinfachter Sicht wird manchmal behauptet, Pfingsten sei die Umkehrung dessen, was in Babel passiert ist (Genesis 11.1-8). Die ganze Menschheit hatte damals eine einzige Sprache, also auch eine einzige Kultur. Die Menschen wollten sich nicht auf die ganze Erde zerstreuen, wie Gott es ihnen geboten hatte. Sie beschlossen, sich lieber in einer Stadt mit einem hohen Turm zusammenzutun. Mit ihrer großen Anzahl und diesem Gebäude wollten sie sich einen
Namen machen. Ein typisches Beispiel einer gegen Gottes Willen künstlich gebastelten Einheit.
Gott hat sie dennoch zersreut, indem er ihnen die Möglichkeit der Verständigung untereinander entzog. Die Strafe war die Zerstreuung, der Verlust der Einheit, die Unmöglichkeit, sich gegenseitig zu verstehen.
In Jerusalem besteht die Menge fast ausschließlich aus Juden. Zusätzlich zur Sprache ihrer Wahlheimat können sie wahrscheinlich ein wenig Aramäisch, um sich in Judäa verständigen zu können. Gottes Eingriff besteht nicht darin, dass er eine neue allen gemeinsame Sprache schafft, die ein Bindeglied unter dieser riesisgen Vielfalt bilden würde. Nein, die Vielfalt der Muttersprachen besteht weiter und bildet kein Hindernis. An diesem Tag schenkt ihnen Gott ein inneres Bindeglied mit ewigem Bestand : die Gegenwart und das Wirken seines Heiligen Geistes.
Ein Zeugnis mit gewaltiger Wirkung
So durcheinander die 120 Gott auch preisen mögen, dieses Zeugnis wirkt mächtig bei den Zuhörern ein. An diesem Tag ist sein Inhalt der selbe wie immer bisher : sie loben die großen Taten Gottes. Und so entsteht an diesem Tag die Kirche und so beginnt auch gleich die Arbeit der Weltmission. Dazu hat Gott die Sprachenvielfalt nicht aufgehoben, aber er hat gesorgt, dass jeder die Botschaft in seiner eigenen Muttersprache hören und verstehen kann.
Das Wunder des Verstehens
Viele glauben, das Wunder dieses Pfingsttags sei das Zungenreden. Das Staunen der Leute im Vers 11 lenkt aber unsere Aufmerksamkeit auf eine andere Tatsache : auf das Wunder, dass die Leute die Botschaft trotz der Sprachenverschiedenheit verstehen können. Das Zungenreden (das ja nicht dasselbe wie in Kor 12 und 14 ist) ist ein wunderbares Werkzeug. Das Ziel aber, das noch viel wichtigere Endergebnis ist das Wunder des Verstehens. Die Leute haben alle diesselbe grundlegende Botschaft gehört und verstanden : die großen Taten Gottes, die jedem zugänglich gemacht und geschenkt werden, der mit einem aufrichtigen und offenen Herzn zu ihm kommt. Dazu genügt es nicht, in der Sprache eines Fremden zu sprechen, da ist auch noch die durchschlaggebende Wirkung des Heiligen Gesites notwendig, um das Herz zu erreichen und es mit der göttlichen Wahrheit zu beleuchten. Ohne dieses Wunder bliebe das der Zungenrede unwirksam.
Durch das Wunder beeindruckt oder durch die Botschaft verwandelt ?
Diese letzte Behauptung erlaube ich mir, weil in den Versen 11-12 noch nichts erreicht ist. Da, wie auch nach der Predigt des Petrus, stellen die Leute eine wichtige Frage. Wenn die Leute aber im Vers 12 offensichtlich tief beeindruckt sind, so ist ebenso sicher, dass sie noch gar nicht verwandelt sind, wie sie es im Vers 37 sein werden.
Die aufrichtigen Zuschauer, diejenigen, die verstehen wollen, müssen aufmerksam zuhören : Petrus bringt die erforderliche Erklärung des Geschehens im Licht der Bibel. Die oberflächlichen gehen an dem allem vorbei und begnügen sich mit einer sinnfällig blöden Erklärung. Will man etwas lieber nicht verstehen, dann genügt ein leichtsinniger Scherz, um das Problem loszuwerden.
Den ersten kommt die Wirkung des Heiligen Geistes, das Wunder des Verstehens zugute ; den anderen aber nicht, denn sie wollen nichts mit der vollmächtigen Einwirkung Gottes auf ihr Leben zu tun haben. Also ist tatsächlich das Wunder des Verstehens das ausschlaggebende Ereignis von Pfingsten.
Nach der vom Geist eingegebenen Predigt des Petrus kommen 3 000 Personen zur anfänglichen kleinen Gruppe dieses ersten Tags der Missionsarbeit hinzu. Was ihr Herz verwandelt hat, war nicht das Zungenreden der Jünger, sicher aber die prophetische Verkündigung durch Petrus. Erst in dieser Verkündigung erreicht das Ausgießen des Heiligen Geistes seine volle Wirkung. Und das ist auch der Grund, warum Paulus den Vorrang des prophetischen Worts vor der Zungenrede hervorhebt.
Pfingsten, ein einmaliges Geschehnis
Diese Einmaligkeit erfordert noch eine weitere, vielleicht unerwartete Bemerkung. An Weihnachten geschah etwas absolut Einmaliges, das nie wiederholt wurde, wie ja auch an Karfreitag und an Ostern. Ist doch selbstverständlich, oder ?
Der Heilige Geist ist jetzt da. Wieso sollte man ihn bitten zu kommen ?
Wie ist es dann möglich, dass da Leute von Gott « ein neues Pfingsten », eine neue Ausgießung des Heiligen Geistes auf sich oder auf ihre Gemeinde verlangen ? Haben sie denn noch nie Johannes 14.15-20 gelesen : « …der für immer bei euch bleibt. »
Damit sind Folgen verbunden : wie könnte ich dann Lieder singen, die den Heiligen Geist bitten, auf mich oder auf meine Gemeinde zu kommen ? Er war es doch, der meine Wiedergeburt wirkte und seither « bei mir wohnt » (Joh 1.12-13 ; 14.23) ! Was ist ein Christ oder eine Gemeinde, bei der der heilige Geist abwesend ist. Solche Worte könnte höchstenfalls eine Person bei ihrer Bekehrung singen !
Wichtig ist, ihn nicht zu beleidigen
Was für mich aber sehr wichtig ist, ist dass ich den Heiligen Geist nicht betrübe oder in einige wenige Gebiete meines Leben einschränke. Er muss volle Freiheit und volle Macht über mein Leben haben (oder zurückbekommen), damit er es nach Gottes Willen benutzen kann.
Er bleibt immer treu
Jeder Christ erlebt einmal, was man eine Art geistliche Wüste nennt. Das soll aber nicht heißen, dass sich der Heilige Geist von dem Gläubigen zurückgezogen hat. « Wenn Gott jemand seine Gnade geschenkt und ihn berufen hat, widerruft er das nicht » (Rm 11.29). Durch solche Umstände will er uns vielmehr etwas lehren, oder wir sind in irgend einer Hinsicht untreu geworden und er möchte uns zu ihm zurückführen. « Und doch bleibt er treu, auch wenn wir ihm untreu sind, denn er kann sich selbst nicht untreu werden. » (2 Tm 2.13) Selbst in dieser geistlichen Einöde können wir uns vielmehr über diese beiden ermunternden Verheißungen freuen und unseren Weg berichtigen und mit ihm weitergehen.
Ein neues Volk Gottes
Am Sinai hatte sich Gott ein für sich aus den Völkern der Welt gesondertes Volk geschaffen. An Pfingsten erhört er majestätisch Moses Wunsch : Gott möge allen Gliedern seines Volks seinen Geist schenken, und sie zu Propheten machen.
Mit einigen verachteten Galiläern gibt Gott Vertretern aller Sprachen der Welt seine wunderbaren Taten zu hören. Und wer in eine persönliche Beziehung mit ihm treten möchte, wird an diesem Tag vom Heiligen Geist in solch eine Beziehung aufgenommen. Gott öffnet ihm das Verständnis seiner wunderbaren Wirkung und deren Verhältnis zu seinem Wort. So schafft er ein neues weltweites Volk Gottes, ein Volk, das unter seinen Gliedern durch seine ewige Gegenwart vereint wird. Es ist das « erwählte Volk, das Volk von Königen, das heilige Volk », das Gott schon im zweiten Buch des Alten Testaments angekündigt hatte (Exodus 19. 5-6).
J-J. Streng