Man müsste das Leben Adams vor dem Fall wiederherstellen können, dann wäre uns geholfen. Es wäre der Sünde gesteuert und der Entartung des Lebens und zuletzt selbst dem Tode. In dieser Überzeugung stimmen nicht wenige Philosophen und die größten Pädagogen der Welt mit der Bibel überein.
Das ideale Leben
Römer 8 proklamiert dieses [ideale] Leben Adams vor dem Fall. Nicht etwa so, dass es das Leben schildert, das Adam vor seinem Fall gelebt hat. Das wäre eine traurige Botschaft. Sie würde uns nicht weiterhelfen. Wir würden durch sie nur ständig daran erinnert, dass wir dieses wahrhaftige Leben nicht mehr besitzen. Nein, Römer 8 verkündigt die Erlösung aus dem verlorenen Leben, das wir leben, und stellt den »Menschen in Christus« dar. Dies geschiebt so, dass wir zunächst mit unserer Fallgeschichte ganz ernst genommen werden. Die Bibel sucht uns dort, wo wir wirklich sind, bei unserer unbeherrschten Gier, bei unserer Angst, bei unserem Tod, in unserer Schuld. Dort wird auch in Römer 8 der Sünder abgeholt und durch Christus in eine dreifache Freiheit geführt.
Dreimal frei!
1. In die Freiheit der Vergebung mit dem Freispruch von der Verdammung: Vers 1.
2. In die Freiheit eines neuen Lebens durch eine neue Kraft, die der Heilige Geist gibt: Vers 2-16.
3. In die noch ausstehende Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes, die wir als Erben Gottes und Miterben Christi vor uns haben: Vers 17-30.
Damit wird nun [unser] neutestamentlicher Gnadenstand ausgesagt… Mit dieser dreifachen Freiheit ist gesagt, was Gott jedes Mal meint, wenn Er einen Sünder durch das Evangelium unter die Gnade ruft. Es ist unbegreiflich wahr: In Römer 8 findet jeder, der sich in die Gnade Jesu Christi rufen lässt und gläubig wird, den gottgesetzten Entwurf seiner eigenen Geschichte vor. Es ist die Geschichte des begnadigten Lebens, die unter dem Kreuz Christi ihren Anfang nimmt und in der Verklärung der Gleichgestaltung Christi ihr Ziel hat.
Unsere doppelseitige Geschichte
Diese Geschichte hat zwei Bereiche: den diesseitigen Bereich der Erdenzeit und den ewigen Bereich jenseits von Tod und Grab. Wenn ein Bibeltext, wie Römer 8, einen Gesamtüberblick über die Heilsgnade gibt, muss stets von beiden Bereichen gesprochen werden. Die Gnade Gottes ist ja eine ewige Gnade. Sie umfasst immer die ganze Existenz des Menschen. Man sieht den Menschen aber immer nur dann ganz, wenn man ihn als Ewigkeitswesen nimmt. Die Bibel ist darin ungeheuer folgerichtig. Nur dann ist dem Menschen wirklich geholfen, wenn ihm über den Tod hinüber in seine Ewigkeit geholfen wird. Darum umfasst die Gnade Gottes beide Bereiche, den irdischen und den ewigen.
Diesseits und jenseits
Der irdische Lebensbereich des Erlösten ist wesentlich auf den ewigen Bereich seines Lebens angewiesen. Auch der Ausgezeichnetste unter den Erlösten kann das »Leben Adams vor dem Fall« hier unten nur anfangsweise zurückerhalten. Erst hinter der Auferstehung ist Vollendung möglich und der Empfang des ewigen Erbes. »Sind wir denn Kinder, so sind wir auch Erben, Erben Gottes und Miterben Christi, so wir anders mitleiden, auf daß wir auch mit zur Herrlichkeit erhoben werden, so fängt der zweite Hauptabschnitt des Kapitels an, der die dritte Freiheit rühmt, die Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes (Vers 17).
Der Gnadenstand
Diese Gesamtübersicht über den neutestamentlichen Gnadenstand gibt unserem Kapitel sein ungeheures Maß. Es zeigt den Erlösten, den Menschen in Christus, einerseits in der Spannung seines Unterwegsseins; aber es zeigt ihn immer in der Wegrichtung aufs Vollendungsziel. Das Kapitel ist so aufgebaut, dass der Glaube ständig den erhöhten Platz beziehen kann, von dem aus er das ganze Gelände seiner Berufung einzusehen vermag. Auch das, was vorn ist, was noch nicht durchschritten ist, von dem Paulus an anderer Stelle sagt:
„Nicht, dass ich’s schon ergriffen habe oder schon vollkommen sei; ich jage ihm aber nach, ob ich’s auch ergreifen möchte, nachdem ich von Christo Jesu ergriffen bin“ (Phil. 3, 12).
Noch unterwegs
Die Gegebenheiten der Erde werden nüchtern gesehen. Das Unterwegssein des Erlösten wird ernst genommen, sehr ernst. Das »Noch-nicht« der zeitlichen Wegstrecke ist spannungsgeladen. „Hier ist Geduld und Glaube der Heiligen.“ Dieses Wort aus dem dunklen Antichrist-Kapitel der Offenbarung des Johannes (Kap. 13) geht wie eine Grundmelodie auch durch Römer 8. „Wir sind wohl selig, aber in Hoffnung. Wir warten sein (des Zieles) durch Geduld“ (Vers 24 ff.). Es geht durch Seufzen und Tränen. „Trübsal, Angst, Verfolgung, Hunger, Blöße, Fährlichkeit oder Schwert“ (Vers 35) sind nicht in jedem Fall von den Kindern Gottes genommen. Sie sind in vielen Dingen aufs ausharrende Warten gewiesen. „Wir warten auf unseres Leibes Erlösung“ (Vers 23).
Doch Christus ist da
Aber das Unterwegssein durch die Engpässe des Zeitlichen und des Leiblichen ist immer nur ein »Vorletztes«. Darum kann die Spannung ertragen werden. Christus ist da. Er ist als Hoherpriester der Mittler zwischen dem ersten, dem irdischen Lebensbereich, und dem zweiten, dem ewigen Lebensbereich der Seinen. Er, der den Anfang dieses begnadigten Lebens gemacht hat, sichert auch das Letzte – die Vollendung dieses Lebens, das, was Römer 8 die „Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes“ nennt (Luther: die herrliche Freiheit der Kinder Gottes), die noch kommt (Vers 21).
Auszug aus einem Buch eines vielgelesenen Verfassers der Mitte des XX. Jhts : Fritz HUBMER.
Die dreifache Freiheit der Erlösten nach Römer 8, Copyright SCM Hänssler in der Verlagsgruppe GmbH , D-71088 Holzgerlingen (www. scm-haenssler.de). TELOS-Taschenbuch Nr. 123, Seiten 14-18. Mit freundlicher Genehmigung des SCM-Verlags (Rechte und Lizensen SCM Hänssler Buch Internationale Rechte SCM Verlagsgruppe.
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